28. September 2020

Nichtbeanstandungsregelung betreffend Umrüstung von TSE-Kassen

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (BGBl 2016 I S. 32) wurde § 146a AO eingeführt, wodurch elektronische Kassensysteme nunmehr bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Insbesondere müssen sie von einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung unterstützt werden (TSE). Das Gesetz trat zum 01.01.2020 in Kraft.

Da die benötigten zertifizierten TSEs bis zum Inkrafttreten jedoch vielfach noch nicht erworben werden konnten und damit eine flächendeckende Ausstattung aller Kassensysteme nicht fristgerecht möglich war, wurde von Bund und Ländern eine sog. Nichtaufgriffsregelung bzw. Nichtbeanstandungsregelung vereinbart. Die Unternehmen hatten bis zum 30.09.2020 Zeit, ihre Kassen umzurüsten. Innerhalb dieser Übergangsfrist wurden fehlende TSEs bei Betriebsprüfungen nicht negativ bewertet.

Ein Großteil der Bundesländer (Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen, Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Berlin und Brandenburg) hat in der Zwischenzeit die Nichtbeanstandungsregelung – zumeist bis zum 31.03.2020 – verlängert.

Mit neuerlichem Schreiben vom 18.08.2020 betonte das BMF, dass es bei der ursprünglich gewährten Nichtbeanstandungsfrist bis zum 30.09.2020 bleibe und weist im Einzelnen erneut auf folgendes hin:

  • § 146a AO gilt für die Verwendung von elektronischen Aufzeichnungssystemen nach dem 31.12.2019
  • Es wird bis zum 30.09.2020 nicht beanstandet, wenn die elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 30.09.2020 noch nicht über eine TSE verfügt
  • Die digitale Schnittstelle der Finanzverwaltung für Kassensysteme findet bis zum 30.09.2020 keine Anwendung. Entsprechend besteht bis dahin keine Mitteilungspflicht. Der Einsatzzeitpunkt der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit wird gesondert bekannt gegeben.
  • Steuerrechtliche Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten können auf Antrag nach § 148 AO erleichtert werden. Eine dauerhafte Befreiung von diesen Pflichten ist nicht möglich. Persönliche Gründe, wie Alter und Krankheit des Steuerpflichtigen, rechtfertigen regelmäßig keine Erleichterungen.

Das BMF weist darauf hin, dass für davon abweichende Erlasse eine Abstimmung zwischen dem BMF und den obersten Finanzbehörden erforderlich sei.

Die uneinheitliche Regelung zwischen Bund und Ländern ist für den Steuerpflichtigen unerfreulich. Eine Vielzahl der Bundesländer hält eine Abstimmung für nicht erforderlich. Da der Steuerpflichtige jedoch vorwiegend mit den Länderfinanzbehörden zu tun hat, werden in aller Regel die jeweiligen Landesregelungen gelten. Diese bindet die jeweilige Landesfinanzverwaltung und bildet damit auch den Richtwert für die Finanzämter.

Dennoch sollten die Steuerpflichtigen nun nicht mehr länger bei der Umrüstung ihrer Kassensysteme zögern. Es sollte nicht darauf spekuliert werden, dass die Länder die Fristen ein weiteres Mal verlängern.

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AEAO zu § 146b - Kassen-Nachschau

1. Die Kassen-Nachschau ist ein besonderes Verfahren zur zeitnahen Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen und der ordnungsgemäßen Übernahme der Kassenaufzeichnungen in die Buchführung. Der Kassen-Nachschau unterliegen u.a. elektronische oder computergestützte Kassensysteme oder Registrierkassen, App-Systeme, Waagen mit Registrierkassenfunktion, Taxameter, Wegstreckenzähler, Geldspielgeräte und offene Ladenkassen (summarische, retrograde Ermittlung der Tageseinnahmen sowie manuelle Einzelaufzeichnungen ohne Einsatz technischer Hilfsmittel). Der Amtsträger kann u.a. zur Prüfung der ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen einen sog. „Kassensturz“ verlangen, da die Kassensturzfähigkeit (Soll-Ist-Abgleich) ein wesentliches Element der Nachprüfbarkeit von Kassenaufzeichnungen jedweder Form darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 20.9.1989, X R 39/87, BStBl 1990 II S. 109; vom 26.8.1975, VIII R 109/70, BStBl 1976 II S. 210; vom 31.7.1974, I R 216/72, BStBl 1975 II S. 96; vom 31.7.1969, IV R 57/67, BStBl 1970 II S. 125). Ob ein Kassensturz verlangt wird, ist eine Ermessensentscheidung, bei der die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen sind.

2. Die Kassen-Nachschau ist keine Außenprüfung i.S.d. § 193 AO. Deshalb gelten die Vorschriften für eine Außenprüfung nicht. Wird eine andere Finanzbehörde mit einer Kassen-Nachschau beauftragt, findet § 195 Satz 2 AO sinngemäß Anwendung. Die Kassen-Nachschau wird nicht angekündigt.

3. Im Rahmen der Kassen-Nachschau dürfen Amtsträger während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten Geschäftsgrundstücke oder Geschäftsräume von Steuerpflichtigen betreten. Dies schließt auch Fahrzeuge ein, die land- und forstwirtschaftlich, gewerblich oder beruflich vom Steuerpflichtigen genutzt werden. Die Grundstücke, Räume oder Fahrzeuge müssen nicht im Eigentum der land- und forstwirtschaftlich, gewerblich oder beruflich tätigen Steuerpflichtigen stehen. Das Betreten muss dazu dienen, Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können. Ein Durchsuchungsrecht gewährt die Kassen-Nachschau nicht. Das bloße Betreten und Besichtigen von Grundstücken und Räumen ist noch keine Durchsuchung. Die Kassen-Nachschau kann auch außerhalb der Geschäftszeiten vorgenommen werden, wenn im Unternehmen noch oder schon gearbeitet wird.

4. Sobald der Amtsträger der Öffentlichkeit nicht zugängliche Geschäftsräume betreten will, den Steuerpflichtigen auffordert, das elektronische Aufzeichnungssystem zugänglich zu machen oder Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Führung des elektronischen Aufzeichnungssystems erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen vorzulegen, Einsichtnahme in die digitalen Daten oder deren Übermittlung über die einheitliche digitale Schnittstelle verlangt oder den Steuerpflichtigen auffordert, Auskunft zu erteilen, hat er sich auszuweisen. Ist der Steuerpflichtige selbst oder sein gesetzlicher Vertreter (§ 34 AO) nicht anwesend, aber Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie über alle wesentlichen Zugriffs- und Benutzungsrechte des Kassensystems des Steuerpflichtigen verfügen, hat der Amtsträger sich gegenüber diesen Personen auszuweisen und sie zur Mitwirkung bei der Kassen-Nachschau aufzufordern. Diese Personen haben dann die Pflichten des Steuerpflichtigen zu erfüllen, soweit sie hierzu rechtlich und tatsächlich in der Lage sind (§ 35 AO). Eine Beobachtung der Kassen und ihrer Handhabung in Geschäftsräumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist ohne Pflicht zur Vorlage eines Ausweises zulässig. Dies gilt z.B. auch für Testkäufe und Fragen nach dem Geschäftsinhaber. Die Kassen-Nachschau muss nicht am selben Tag wie die Beobachtung der Kassen und ihrer Handhabung erfolgen.

5. Die Aufforderung zur Duldung der Kassen-Nachschau ist ein Verwaltungsakt, der formlos erlassen werden kann (z.B. mündlich mit Vorzeigen des Ausweises). Nachdem der Amtsträger sich ausgewiesen hat, ist der Steuerpflichtige zur Mitwirkung im Rahmen der Kassen-Nachschau verpflichtet. Das Datenzugriffsrecht ergibt sich bei der Kassen-Nachschau aus § 146b Abs. 2 Satz 2 AO. Der Steuerpflichtige hat nach § 146b Abs. 2 AO ab dem 1.1.2018 auf Verlangen des Amtsträgers für einen vom Amtsträger bestimmten Zeitraum Einsichtnahme in seine (digitalen) Kassenaufzeichnungen und –buchungen sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen zu gewähren. Der Amtsträger kann in diesen Fällen auch schon vor dem 1.1.2020 verlangen, dass die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Nach dem 31.12.2019 sind die digitalen Aufzeichnungen über die digitale Schnittstelle oder auf einem maschinell auswertbaren Datenträger nach den Vorgaben der digitalen Schnittstelle zur Verfügung zu stellen. Sofern eine digitale Schnittstelle vor dem 1.1.2020 vorhanden ist, kann mit Zustimmung des Steuerpflichtigen eine Datenübermittlung über die einheitliche Schnittstelle erfolgen. Auf Anforderung des Amtsträgers sind die Verfahrensdokumentation zum eingesetzten Aufzeichnungssystem einschließlich der Informationen zur zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung vorzulegen, d.h. es sind Bedienungsanleitungen, Programmieranleitungen und Datenerfassungsprotokolle über durchgeführte Programmänderungen vorzulegen. Darüber hinaus sind Auskünfte zu erteilen. Bei Nichtanwesenheit des Steuerpflichtigen gelten die dargestellten Mitwirkungspflichten für Personen i.S.d. Nr. 4 Satz 2 des AEAO zu § 146b entsprechend.

6. Zu Dokumentationszwecken ist der Amtsträger berechtigt, Unterlagen und Belege zu scannen oder zu fotografieren. Sofern ein Anlass zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder nach dem 31.12.2019 der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung besteht, kann der Amtsträger nach § 146b Abs. 3 AO ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen. Die Entscheidung zum Übergang zu einer Außenprüfung ist eine Ermessensentscheidung. Anlass zur Beanstandung kann beispielsweise auch bestehen, wenn Dokumentationsunterlagen wie aufbewahrungspflichtige Betriebsanleitung oder Protokolle nachträglicher Programmänderungen nicht vorgelegt werden können. Der Übergang zu einer Außenprüfung ist regelmäßig geboten, wenn die sofortige Sachverhaltsaufklärung zweckmäßig erscheint und wenn anschließend auch die gesetzlichen Folgen der Außenprüfung für die Steuerfestsetzung eintreten sollen. Der Beginn einer Außenprüfung nach erfolgter Kassen-Nachschau ist unter Angabe von Datum und Uhrzeit aktenkundig zu machen. Der Übergang zur Außenprüfung ist dem Steuerpflichtigen bekannt zu geben.

Nach § 146b Abs. 3 Satz 2 AO ist der Steuerpflichtige auf diesen Übergang schriftlich hinzuweisen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze über den notwendigen Inhalt von Prüfungsanordnungen sowie den sachlichen und zeitlichen Umfang von Außenprüfungen. Bei einem sofortigen Übergang zur Außenprüfung ersetzt der schriftliche Übergangshinweis die Prüfungsanordnung. Für die Bekanntgabe des Übergangs zur Außenprüfung gelten die Vorschriften für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung entsprechend. Das gilt auch, wenn der Steuerpflichtige bei Durchführung der Kassen-Nachschau nicht anwesend ist.

7. Da die Kassen-Nachschau keine Außenprüfung i.S.d. §§ 193 ff. AO darstellt, finden insbesondere § 147 Abs. 6, §§ 201 und 202 AO keine Anwendung. Ein Prüfungsbericht ist nicht zu fertigen. Sollen aufgrund der Kassen-Nachschau Besteuerungsgrundlagen geändert werden, ist dem Steuerpflichtigen rechtliches Gehör zu gewähren (§ 91 AO).

8. Der Beginn der Kassen-Nachschau hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO nicht. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO findet keine Anwendung. Soweit eine Steuer nach § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt worden ist, muss dieser nach Durchführung der Kassen-Nachschau nicht aufgehoben werden. Im Anschluss an eine Kassen-Nachschau ist ein Antrag auf verbindliche Zusage (§ 204 AO) nicht zulässig.

9. Im Rahmen der Kassen-Nachschau ergangene Verwaltungsakte können nach § 347 AO mit dem Einspruch angefochten werden. Der Amtsträger ist berechtigt und verpflichtet, den schriftlichen Einspruch entgegenzunehmen. Der Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung und hindert daher nicht die Durchführung der Kassen-Nachschau, es sei denn die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wurde ausgesetzt (§ 361 AO, § 69 FGO). Mit Beendigung der Kassen-Nachschau sind oder werden Einspruch und Anfechtungsklage gegen die Anordnung der Kassen-Nachschau unzulässig; insoweit kommt lediglich eine Fortsetzungs-Feststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) in Betracht. Wurden die Ergebnisse der Kassen-Nachschau in einem Steuerbescheid berücksichtigt, muss auch dieser Bescheid angefochten werden, um ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen. Für die Anfechtung der Mitteilung des Übergangs zur Außenprüfung gelten die Grundsätze für die Anfechtung einer Außenprüfungsanordnung entsprechend (vgl. AEAO zu § 196).