04. Oktober 2017

Zertifizierter Steuerpflichtiger

Die Europäische Kommission hat am 04.10.2017 einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich des zertifizierten Steuerpflichtigen unterbreitet.

Inhalt des Vorschlags der Europäischen Kommission ist, das derzeitige Mehrwertsteuersystem grundlegend zu verändern, indem der Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise besteuert wird wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Auf diese Weise wird ein neues und endgültiges Mehrwertsteuersystem für die EU geschaffen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Vorschlages der Europäischen Kommission ist dabei die Einführung des Status des zertifizierten Steuerpflichtigen ab dem 01.01.2019. Bestimmte mehrwertsteuerliche Vergünstigungen sollen nur noch dann in Anspruch genommen werden können, wenn sog. zertifizierte Steuerpflichtige an den Transaktionen beteiligt sind. Der zertifizierte Steuerpflichtige und die Unternehmen, mit denen dieser Geschäfte macht, genießen eine Reihe vereinfachter Verfahren für die Erklärung und Zahlung der grenzüberschreitenden Mehrwertsteuer. Der Status eines Unternehmens als zertifizierter Steuerpflichtiger soll in das europäische Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) eingebunden werden und damit grenzüberschreitend von den Unternehmen überprüfbar sein.

Die Kommissionsvertretung in Deutschland führt in der Pressemitteilung auf der Homepage dazu aus, dass die folgenden vier grundlegenden Prinzipien die „Eckpfeiler“ eines neuen endgültigen und gemeinsamen EU-Mehrwertsteuerraums sind:

„1. Betrugsbekämpfung:
Künftig wird auf den grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen Mehrwertsteuer erhoben. Diese Art von Handel ist derzeit von der Mehrwertsteuer befreit, was kriminelle Unternehmen dazu verleitet, die Mehrwertsteuer einzuziehen und dann zu verschwinden, ohne die Mehrwertsteuer an die Regierung abzuführen.

2. zentrale Anlaufstelle:
Dank einer zentralen Anlaufstelle wird es einfacher für grenzüberschreitend tätige Unternehmen, ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten nachzukommen. Unternehmer können in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und Administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen. Die Mitgliedstaaten leiten einander dann die Mehrwertsteuer weiter, wie dies bei elektronischen Dienstleistungen bereits der Fall ist.

3. größere Kohärenz:
Umstellung auf das „Bestimmungslandprinzip“, bei dem der endgültige Betrag der Mehrwertsteuer stets an den Mitgliedstaat des Endverbrauchers entrichtet wird und dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Satz entspricht. Die Kommission hat seit Langem auf dieses Ziel hingearbeitet und wird dabei von den Mitgliedstaaten unterstützt. Bei elektronischen Dienstleistern gilt der Grundsatz bereits.

4. weniger Bürokratie:
Vereinfachung der Vorschriften für die Rechnungslegung, sodass die Verkäufer auch beim grenzüberschreitenden Handel Rechnungen gemäß den Vorschriften ihres eigenen Landes stellen können. Die Unternehmen müssen künftig keine Liste von grenzüberschreitenden Transaktionen („zusammenfassende Meldung“) für ihre Finanzbehörde mehr erstellen.“

Der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 04.10.2018 sieht eine grundlegende Veränderung des derzeitigen Mehrwertsteuersystems vor, indem der Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise besteuert wird wie der Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Damit wird ein neues und endgültiges Mehrwertsteuersystem für die EU geschaffen.

Durch den Vorschlag der Europäischen Kommission wird der Begriff „zertifizierter Steuerpflichtiger“ eingeführt. unter werden vertrauenswürdige Unternehmen verstanden, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren sollen. Unternehmen können bei ihrer nationalen Steuerbehörde einen Antrag stellen und ein zertifizierter Steuerpflichtiger werden, wenn die Einhaltung vorab festgelegter Kriterien nachgewiesen wird. Die Europäische Kommission hat diese Kriterien in dem Vorschlag vom 04.10.2017 nicht bestimmt. Stellt man auf die Bewilligungsvoraussetzungen für den zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten ab, wären u.a. folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

  • Bisherige Einhaltung der zoll- und steuerrechtlichen Vorschriften
    (Art. 39a UZK i.V.m. Art. 24 IA)
  • Zufriedenstellendes Buchführungssystem
    (Art. 39b UZK i.V.m. Art. 25 IA)
  • Nachweisliche Zahlungsfähigkeit
    (Art. 39c UZK i.V.m. Art. 26 IA)
  • Angemessene Sicherheitsstandards
    (Art. 39e UZK i.V.m. Art. 28 IA)

Für den zertifizierten Steuerpflichtigen ist die Bewilligungsvoraussetzung der praktischen oder beruflichen Befähigung nach Art. 39d UZK i.V.m. Art. 27 IA nicht von Bedeutung.

Die maßgeblichen Kriterien für die Erlangung des Status zertifizierter Steuerpflichtiger werden sein:

  • Einhaltung der steuerrechtlichen Vorschriften, d.h. u.a. regelmäßige Steuerzahlungen und keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften und keine schweren Straftaten im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit.
  • Ordnungsgemäße Buchführung nach den §§ 140 bis 148 AO, insb. Überprüfung der eingehenden Rechnungen auf die Voraussetzungen nach § 14 UStG.
  • Nachweis der Zahlungsfähigkeit.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) lehnt die Einführung des Staus des zertifizierten steuerpflichtigen im geplanten Mehrwertsteuersystem ab. Der DStV nahm den Vorschlag der Europäischen Kommission vom 04.10.2017 zum Anlass, in seiner Stellungnahme S 01/18 vom 16.2.2018 auf Schwachstellen der Vorschläge hinzuweisen und Lösungen anzuregen. U.a. führte er aus:

1. Hoher Umstellungsaufwand droht

Die Implementierung des Qualitätsmerkmals „zertifizierter Steuerpflichtiger“ wird mit einem hohen Umstellungsaufwand für die Betroffenen verbunden sein.

Anmerkung: Dem DStV ist zuzustimmen, dass sich die Antragsvoraussetzungen nicht an den Bewilligungsvoraussetzungen für den zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten orientieren dürfen. Vielmehr ist es erforderlich, dass die Europäische Kommission die Kriterien selbst bestimmt.

Weitere Informationen zum Vorschlag der Europäischen Kommission vom 04.10.2017, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 hinsichtlich des zertifizierten Steuerpflichtigen erhalten Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Ausführung der Kommission zu den Gründe und Zielen

Dieser Vorschlag ist Teil eines Legislativpakets zur Einführung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union, das auf dem Prinzip der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruht, um einen robusten, einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum zu schaffen. Ein Legislativvorschlag für ein solches einfacheres und weniger betrugsanfälliges endgültiges Mehrwertsteuersystem für den EU-internen Handel wurde ins Arbeitsprogramm der Kommission für 2017 aufgenommen. Diese Vorschläge für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der Union umfassen auch Verbesserungen des derzeitigen Mehrwertsteuersystems, die von den Mitgliedstaaten gefordert wurden.

Sowohl im Rahmen des endgültigen Mehrwertsteuersystems als auch für einige der oben genannten Verbesserungen des derzeitigen Systems sollten Steuerpflichtige unter bestimmten Bedingungen den Status eines zertifizierten Steuerpflichtigen erhalten können. Der Begriff des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte es ermöglichen, zu bescheinigen, dass ein bestimmtes Unternehmen insgesamt als zuverlässiger Steuerzahler gilt. Bestimmte Vereinfachungsvorschriften zu betrugsanfälligen Sachverhalten wie Konsignationslagern, Reihengeschäften und dem Nachweis der Beförderung oder des Versands von Gegenständen in einen anderen Mitgliedstaat sollten nur dann gelten, wenn zertifizierte Steuerpflichtige an der jeweiligen Transaktion beteiligt sind. Das Konzept des zertifizierten Steuerpflichtigen sollte zudem die schrittweise Umsetzung des endgültigen Mehrwertsteuersystems ermöglichen, da in der ersten Stufe der Umstellung die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gelten würde, wenn bei Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union der Erwerber ein zertifizierter Steuerpflichtiger ist. Die Begründung hierfür lautet, dass es nicht zu einem Betrug aufgrund nicht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer für Lieferungen von Gegenständen innerhalb der Union für einen zertifizierten Steuerpflichtigen kommen dürfte, da der zertifizierte Steuerpflichtige definitionsgemäß zuverlässig ist.

In diesem Zusammenhang müssen Unternehmen und Steuerbehörden den Status eines Unternehmens als zertifizierter Steuerpflichtiger unmittelbar im Internet prüfen können. Dazu ist es notwendig, dass alle Mitgliedstaaten Informationen über Unternehmen und ihren Status als zertifizierte Steuerpflichtige in einem elektronischen System speichern und dass die zuständigen Behörden eines jeden Mitgliedstaats dafür sorgen, dass dieser Status für jedes betreffende Unternehmen bestätigt wird. Diese Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sind in den Rechtsvorschriften über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden festzulegen, d.h. in der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (im Folgenden „Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer“).

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Der Vorschlag soll dem Status des zertifizierten Steuerpflichtigen praktische Wirkung verleihen, der ein wichtiger Bestandteil des endgültigen Mehrwertsteuersystems für den Handel innerhalb der Union ist. Dieses System soll auf dem Grundsatz der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände beruhen, wie es im Mehrwertsteuer – Aktionsplan angekündigt wurde. Der Status des zertifizierten Steuerpflichtigen ist auch im Zusammenhang mit einigen von den Mitgliedstaaten geforderten Verbesserungen des derzeitigen Systems von Bedeutung, insbesondere in Bezug auf die Vorschriften für Reihengeschäfte, Konsignationslager und den Nachweis der Beförderung bei steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen.

Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen

Die Schaffung eines einfachen, modernen und betrugssicheren Mehrwertsteuersystems ist eine der fiskalpolitischen Prioritäten der Kommission für das Jahr 2017.

Die Bekämpfung des Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs ist auch einer der vorrangigen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung in der Europäischen Union im Rahmen des EU-Politikzyklus 2014-2017 von Europol. Verwiesen werden kann außerdem auf die Einigung über die Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO), die unter bestimmten Bedingungen für die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zuständig sein wird.

1. Hoher Umstellungsaufwand droht

Die Implementierung des Qualitätsmerkmals „zertifizierter Steuerpflichtiger“ wird mit einem hohen Umstellungsaufwand für die Betroffenen verbunden sein.

2. Zweiklasseneinteilung von Steuerpflichtigen und Wettbewerbsverzerrung zu befürchten

Die Voraussetzungen, die ein zertifizierter Steuerpflichtiger nachweisen muss, um den Status zu erlangen, sind sehr umfangreich. Kleine Unternehmen würden diese Nachweise deutlich schwerer erbringen können als große Konzernunternehmen, da sie weniger Personalressourcen haben. Kleine Unternehmen, die aufgrund des zu hohen Aufwands auf die Zertifizierung verzichten müssten, könnten darüber hinaus automatisch in Verdacht geraten, weniger zuverlässige Geschäftspartner zu sein. Dies könnte unweigerlich zu einer Benachteiligung, zum Beispiel bei etwaigen Ausschreibungsverfahren, führen.

Die Zweiklasseneinteilung würde zu einer unnötigen Wettbewerbsverzerrung am Markt führen. Diese würde den funktionierenden Binnenmarkt einschränken. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten die Voraussetzungen für das Antrags- und Kontrollverfahren unterschiedlich streng auslegen. So kann es zu zusätzlichen Verzerrungen im Wettbewerb kommen.

3. Rechtsstreitigkeiten durch unklare Anforderungen zu erwarten

Auch die Voraussetzungen, die ein Steuerpflichtiger erfüllen muss, um die Zertifizierung zu erhalten, rufen mehr als nur ein Fragezeichen hervor. Sie orientieren sich stark an den Voraussetzungen des Art. 39 Buchst. a bis c des Zollkodex der Europäischen Union (UZK). Dieser regelt die Bewilligung des Status eines sog. zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (ZWB) im Unionszollrecht.

An dieser Stelle weist der DStV darauf hin, dass das Motiv des ZWB rein zollrechtlicher Art ist. Es ist kein Instrument der Einnahmensicherung. Vielmehr dient es der Gefahrenabwehr, also der Sicherheit bei der Bewegung der Ware. Daher erscheint eine so starke Anlehnung an die Vorschriften des UZK für Zwecke der Mehrwertbesteuerung zweifelhaft.

Im Zollrecht wird die Regelung des Art. 39 UZK durch Durchführungsverordnungen ergänzt, die die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale erleichtern. Für Zwecke der Einführung des zertifizierten Steuerpflichtigen im Mehrwertsteuersystem fehlen bislang sämtliche Konkretisierungen. Der DStV fordert hier dringend Abhilfe, falls das Merkmal des zertifizierten Steuerpflichtigen verwirklicht werden soll.

Warum bedarf es solcher Konkretisierungen?